Venedig, Hochbarock, rund 1690.
Ein Lachen hallte durch die dunklen, schmale Gasse prallte an den hohen Hauswänden ab und verlor sich irgendwo zwischen den Dächern und dem Himmel. Lauschte man genauer, konnte man erkennen, dass nicht nur ein Fußpaar, sondern gleich Zwei den Kanal entlang stolperten. Es schien sich um ein Pärchen zu handeln, vermutlich betrunken wenn man sich auf das unregelmäßige klacken ihrer Absätze bezog. Vielleicht waren sie aber auch nur zu sehr in ihre Küsse verwunden, denn mittlerweile hatte das Lachen aufgehört und man hörte hin und wieder ein leises Seufzen. Möglich wäre aber auch beides.
Schließlich kamen die Beiden unter einer der wenigen Straßenlaternen zum stehen, als hätten sie sich unbewusst einen Scheinwerfer gesucht, der selbst in der tiefsten Nacht der ganzen Welt ihre Liebe zeigen würde. Je länger sie dort standen, desto verschlungener waren sie ineinander, Hände hatten sich ihren Weg ins Haar und unter die Stoffe gesucht. Als sich ihre Lippen für einen Moment trennten, schnappte die Frau -ein junges Ding, vielleicht 16, 17 Jahre- nach Luft. „Pietro, was wenn meine Eltern uns sehen? Es ist nicht mehr fern bis nach Haus'.“ Sie klang außer Atem und anstelle einer Antwort drückte der Mann ihr seine Lippen auf den Mund und mittlerweile hatten seine ungeschickten Finger es tatsächlich geschafft, das dunkelblaue Oberkleid zu öffnen und zu Boden gleiten zu lassen. „Pietro.. ich..“ versuchte sie es erneut zwischen seinen Küssen, doch er legte den Finger auf ihre Lippen. „Gaia, bitte. Sei still.“
Plötzlich wurde die nächtliche Stille von einem weiteren Geräusch durchbrochen. War es das Schnalzen einer Zunge..? „Mhmhmh. Geht man etwa so mit einer Lady um?“ Wie aus dem Nichts stand sie plötzlich da, nur wenige Schritte von ihnen entfernt. Eine augenscheinlich junge Frau, bei weitem nicht so pompös gekleidet wie die junge Gaia, sondern schlicht und zurück genommen war sie gehüllt in ein schwarzes, samtenes Kleid mit einem wenig weit auslaufenden Rock. Die junge Frau ließ einen überraschten Ausruf vernehmen und bückte sich rasch nach ihrem Oberkleid, Pietro hingegen fluchte und wandte sich der Fremden mit funkelnden Augen zu. „Neomi Adorno.. Es ist lange her.“ Ein Grinsen legte sich auf die Lippen der Frau in schwarz. „Gabrielle da Esti.“ Ihre Stimme glich einem samtenen Schnurren. „Ich hatte gedacht, dass es Euch mittlerweile wieder ans Festland verschlagen hätte.“ Sie nährte sich den beiden etwas, gerade so sehr, dass sie nicht direkt vom schwachen Lichtkegel der Laterne erfasst wurde.
Gaia schien mittlerweile völlig verwirrt, sie sah von dem Mann, den sie bis eben für Pietro Savelli gehalten hatte zu der Fremden, welche mitten in der Nacht völlig lautlos aufgetaucht war. Der viele Wein den sie auf dem Ball getrunken hatten half ihr nun auch nicht dabei, die Situation besser zu greifen. „Pietro, was..“ doch er fuhr ihr über den Mund, zischte sie an sie solle den Mund halten und wandte sich wieder an Neomi. Zugegeben, das was man von ihr erahnen konnte war durchaus schön anzusehen. Doch ihr langweiliges, dunkles Haar hatte nichts gegen ihre prachtvollen, blonden Locken. Dieses Weibsbild würde ihr ihren Mann nicht wegnehmen. Als nahm sie all ihren Mut zusammen, griff mit beiden Händen nach seinem Gesicht und zog ihn zu einem Kuss zu sich herunter, den Blick dabei Fest auf die Frau gerichtet als wolle sie sagen 'Dieser hier gehört mir.'
Neomi selbst legte den Kopf leicht schief, zeigte sonst allerdings keine Regung, beobachtete nur, wie der Mann sich dem fordernden Griff entzog. „Ihr spielst also noch immer mit Eurem Essen, Gabrielle?“ In ihrer Stimme klang ein leises, melodisches Lachen mit. Gaia zog die Augenbrauen zusammen. Pietro und sie wollten doch gar nicht mehr essen gehen.
Das junge Ding versuchte Blickkontakt mit ihrem Geliebten aufzunehmen, doch das Grinsen, welches sie nun auf seinem schönen Gesicht erblickte war so gar nicht das charmante, schiefe Lächeln des Mannes, in den sie sich in den letzten Wochen verliebt hatte. „Neomi, ihr wisst es doch selber.. Sie schmecken so viel besser, wenn sie verliebt sind.“ Die Fremde lachte erneut, diesmal etwas weniger melodisch. Gaia stellten sich die Nackenhaare auf.
Plötzlich wandten sich ihr Beide zu, die Laterne über ihnen begann zu flackern. „Was..“ setzte sie an, doch in dem Moment erlosch das Licht gänzlich und das nächste, was man in der Gasse vernahm war ein Schrei, dann völlige Stille. Gaia hatte diese Nacht nicht überlebt und auch ihren Körper würde man erst viele, viele Wochen später in einem der Kanäle treibend wieder finden.
Der nächste Abend.
Neomi hatte sich nicht mit Gabrielle aufgehalten. Sie wusste, dass er schon bald sein nächstes Opfer holen würde, doch sie selbst lebte lange von einer Mahlzeit. So erlaubte es ihr den langen Aufenthalt an ein und dem selben Ort, ohne dass die Einwohner begannen das zu jagen, was auch immer da ihre Jünglinge jagte und umbrachte. Außerdem machte der Hunger die Jagd einfach viel.. intensiver. Sie lachte leise und hob den Blick von ihren eigenen Händen, welche in ihreem Schoß ruhten.
Sie befand sich in einer der vielen Tavernen in Venedig und wie immer war es doch recht voll. Viele Händler und Seemänner hatten ihren Weg hierher gefunden, betranken sich mit ihrer Crew oder vergnügten sich mit den Huren die zwischen den Tischen hindurch tänzelten und jedem der auch nur nach etwas Geld aussah ihre 'Waren preis boten'. Gelangweilt lies Neomi ihre schlanken, blassen Finger über den weichen Stoff ihres Kleides auf ihren Beinen kreisen, während sie nach und nach die Gesichter der Anwesenden studierte, auf der suche nach etwas oder jemandem interessanten, etwas Aufregung oder einfach nur etwas Neuem..
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