Elijah nahm all ihre Worte auf, dachte bei jedem gesprochenen Wort nach und versuchte seine relativ wirren Gedanken zu ordnen. Es fiel ihm schwer zuzuhören und dennoch darauf zu achten, dass jeder ihrer Gesprächsfetzen ein Puzzleteil für sein Rätsel sein könnte. „Halb-Nymphe?“ wiederholte er zögernd. Was für eine gute Strategie... verständlich, dass sie unzufrieden war. Er hatte Amelia sozusagen zutiefst gekränkt, zumindest wenn sie so stolz war wie Elijah, welcher jedes Mal - für einen sehr kurzen Moment - an seiner Existenz zweifelte, wenn seine Fähigkeiten nicht wirkten. Dabei war es so viel einfacher, erst einmal die Schuld am Gegenüber zu suchen. Er grinste. „Ich denke, wüsste sie, wer ich bin, wäre sie froh, dass ihr Bezirzen nicht gewirkt hat.“ Er schluckte zwei drei mal hintereinander, bis er seinen obersten Knopf öffnete. Diese Hitze brachte ihn um. Er wusste nicht, dass er so ausgetrocknet war innerlich. „Du trinkst ganz schön schnell“ betonte er beiläufig, als er sah, wie Aenwynns Lippen das Glas berührten. „Du wirkst nicht so rüpelhaft wie viele andere Frauen mit deinem Alter“ sagte er herausfordernd, musterte ihre grünen Augen. Sie wirkten leicht smaragdfarbend, so glänzend, und Elijah war sich nicht sicher, ob es am Licht oder an ihrer Natur lag.
„Vielleicht gefällst du mir ja“ sagte er leise, fast so, als wären seine Wörter nur ein Hauch gewesen, dann blickte er auf den Tisch, fixierte die einzelnen Risse der massiven, hölzernen Oberfläche des robusten Eichentisches. Um schnell über seine kleine Bemerkung hinwegzukommen, fügte er hinzu „Wichtig ja, aber glaub mir, du wirst schneller Zeugin dieses Geheimnisses, wenn du in meiner Nähe bleibst, als es dir lieb ist.“ Er wusste nicht, wie schnell seine Worte sich bewahrheiten würden. Sein Lächeln verschwand langsam von seinem Gesicht, seine Mimik wurde kalt, und so sah man ihm seine Ernsthaftigkeit immer deutlicher an. „Wie eine Schwester? Vermutlich ist sie deswegen so besorgt. Menschen, die einem nah sind, will man beschützen. Vielleicht ist dies ihr Problem mit dir, mit mir, sie kennt mich nicht, oder vielleicht kennt sie mich ja doch“. Seine Stimme wirkte noch tiefer als sonst, da sie ohne jegliche Emotion schlichtweg eine dunklere Klangfarbe besaß. „Das Gespräch braucht sie wohl“ fügte er hinzu. Elijah betrachtete den herantretenden Mann nicht, es war ihm sichtlich egal, schließlich wusste er genau, was der Barkeeper dachte. 'Scheiß Vampir'. Werwölfe und auch Vampire spürten genau, wer oder was ihm dort gegenüber saß. Diese Abneigung der beiden spürte man vermutlich selbst vor dem Lokal.
Elijah lehnte sich nach vorne, nach dem die beiden wieder alleine am Tisch waren. Sein Blick fixierte Aenwynn. „Du bist ganz schön neugierig, aber jegliche Information zu diesem Mann, die mir jetzt in den Kopf käme, würde all das schöne Versteck- und Ratespiel verraten.“ Seine Hand fuhr in Richtung ihrer Hand, er hatte den plötzlichen Drang sie zu berühren, schließlich roch sie unglaublich gut. Er hatte extrem lange gebraucht, um herauszufiltern, woher dieser liebliche Geruch kam, aber es war ihre Haut, welche diesen Duft verströmte. Kurz bevor er sie berühren konnte, bemerkte er, wie Amelia aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Dies war jedoch nicht der Grund der Beunruhigung, sondern die Tatsache, dass er sie sprechen hörte, ohne dass sie eine Antwort auf ihr Gesagtes bekam. Sie telefonierte. Elijah hielt vor der Berührung inne, konzentrierte sich auf sein Gehör. Sein Blick verdunkelte sich, und obwohl er Aenwynn direkt anblickte, verlor sein Blick sich in ihrem Gesicht, als würde er träumen, als würde die Zeit still stehen. Seine Hand hielt in der Luft inne. Er lauschte. 'Er ist hier. Ja, ja. Ich weiß nicht, wieso. Er ist nicht allein. Ich weiß nicht. Sie sagten, ich solle anrufen. Ja, ich bin mir sicher, dass er es ist. Die Beschreibung passt. Nein, keine Reaktion, weder auf das Eine, noch auf das Andere.' Plötzlich ergab diese extreme Hitze Sinn. Es lag nicht an seinem Hunger. 'Ja, sie bleiben noch länger. Nein, ich lüge nicht. Er hat nicht darauf reagiert'. Die Wut stieg in ihm auf.
„Wieso wolltest du hier her gehen?“ fragte er gereizt. Plötzlich hatte er seinen Blick wieder gefangen, blickte sie streng an, seine Lippen verformten sich, er presste sie stark aufeinander. Sein Blick wurde kalt, eiskalt. „Ich bin einfach so unglaublich dumm. Als ob mich irgendjemand auf offener Straße..“ Er hielt inne. 'Okay, in zehn Minuten. Bis gleich' – Sie hatte aufgelegt. „So schnell kann es gehen“ zischte er. Er legte 20 Pfund auf den Tisch, stand auf, knöpfte sich sein Hemd wieder zu, richtete die Krawatte. „Bekommst du deine Kunden da durch, dass du dich auf so was einlässt?!“ fragte er Aenwynn vorwurfsvoll. Er rückte mit einem Knall den Stuhl an den Tisch, so dass der Tisch sich leicht anhob, zurück wippte. Das Glas Wasser kippte vom Tisch und fiel auf den Boden, zerbrach in viele kleine Splitter. Amelia kam aus dem hinteren Bereich hervor und blickte panisch in Richtung Tisch, schließlich signalisierte Elijah Aufbruch. Sie kam auf ihn zu, blickte erneut hysterisch zu Aenwynn. Es war auf einmal plötzlich leise im Lokal, als würde die Zeit still stehen. „Wollen Sie nicht noch etwas trinken?“ ertönte ihre schrille Stimme.
Elijah war gut zwei Köpfe größer als sie, blickte sie an, zu ihr hinab, seine Pupillen verengten sich. „Wag es noch einmal, noch ein einziges Mal mich anzusprechen, und du rammst dir dieses Messer in den Bauch“. Er deutete auf das Besteck, welches an seinem Platz lag. Sie hielt sofort ihren Mund, als wäre sie in Trance, griff nach dem Messer auf dem Tisch, taumelte zwei Schritte zurück, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie umklammerte das Messer, blieb ruhig stehen und sagte kein Wort, wimmerte nicht einmal. „Du wirst ihm sagen, dass ich nicht hier war, und dass du gelogen hast“. Sie nickte, vermutlich war sie sich dessen bewusst, was es bedeuten würde. An Elijahs Hals traten Adern hervor, so sehr kochte in ihm die Wut. Er blickte Aenwynn ein letztes Mal an, bis er sich an Amelia vorbei drängelte, da er das Pub verlassen wollte. Draußen vor der Tür kam er zum stehen, atmete tief ein. Er konnte für nichts garantieren, was jetzt passierte.
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Randinfo: Das mit der Hitze wird später erläutert. <3